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Kieler Bündnis Agenturschluss
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24114 Kiel
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INFOMAIL

an die Angestellten der Kieler Arbeitsagentur
Nr.2

Mittwoch, 22. Dezember 2004


Sehr geehrte Damen und Herren,

bevor auch wir uns in unseren Mobilisierungsbemühungen zur Initiative Agenturschluss und gegen die Agenda 2010 / Hartz IV eine kurze Weihnachtspause nehmen, möchten wir uns heute wieder mit einer Informationsmail an Sie wenden. Zu Ihrer Lektüre übersenden wir Ihnen einen Artikel aus den Kieler Nachrichten vom 14.12.04, in dem die Initiative Agenturschluss Erwähnung gefunden hat und einen Artikel aus der Wochenzeitschrift ‚jungle world’, der unserer Ansicht nach noch einmal Sie vielleicht interessierende wichtige Aspekte zusammenfasst.

Wir wünschen Ihnen eine angenehme Weihnachtszeit,

Ihr


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Artikel in den Kieler Nachrichten vom 14.12.04

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(Aus der 'jungle word' vom 22.12.04,
siehe http://jungle-world.com/seiten/2004/52/4583.php)

Montag ist Unruhetag

Am 3. Januar will die Kampagne »Agenturschluss« Arbeits- und Personal-Service- Agenturen in ganz Deutschland blockieren und besetzen.

von tom binger


Kann die Bewegung gegen Hartz IV und die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung noch einmal für Aufruhr sorgen oder handelt es sich nur um ein letztes Aufbäumen? Unter der Losung »Agenturschluss« wollen am 3. Januar, dem ersten Arbeitstag nach der Einführung der Hartz-IV-Gesetze, radikale Linke gemeinsam mit Erwerbslosen und prekär Beschäftigten an über 40 Orten in Deutschland die »Arbeitsagenturen lahm legen«, wie es in dem Aufruf der Kampagne heißt.

Mit Besetzungen, Blockaden, Belagerungen und Versammlungen soll in den »Ablauf der Erwerbslosenbürokratie« eingegriffen werden, um zumindest an diesem Tag den regulären Betrieb in den Ämtern zu behindern. »Wir wollen die Nötigung und Beschneidung unseres Lebens anhalten und einen Raum schaffen für den Ausdruck unserer Ängste, unserer Wut und unserer eigenen Vorstellungen von einem würdigen Leben«, heißt es im Aufruf zur Kampagne.

Die Initiative sorgt in einer Situation für Unruhe, in der das Thema Hartz IV aus Sicht der Bundesregierung bereits befriedet scheint. Nach dem Abflauen der Montagsproteste und den sinkenden Teilnehmerzahlen der jüngsten Demonstrationen, wie etwa im November in Nürnberg vor der Bundesagentur für Arbeit, wo rund 10 000 Menschen demonstrierten, hat die soziale Protestbewegung auch in den Medien derzeit als Thema ausgedient. Und dennoch verkünden die Aktivisten selbstbewusst, dass Widerstand erst richtig beginne.

»Das Ziel ist, ganz und gar, nicht nur symbolisch, den regulären Betrieb der Arbeitsämter in möglichst vielen Städten der BRD lahm zu legen. Vielleicht kann das, was passieren wird, als erster Erwerbslosenstreik bezeichnet werden«, erklärt Paul vom Kieler Bündnis »Agenturschluss« die ehrgeizigen Ziele der Initiative in der Zeitschrift Gegenwind. Dass Erwerbslose im klassischen Sinne nicht streiken können, da sie dadurch keinen Produktionsablauf zum Erliegen bringen können und nur recht- und geldlos dastehen, ist den Akteuren durchaus bewusst. Trotzdem versucht die Kampagne, Handlungmöglichkeiten aufzuzeigen und Ideen für den zukünftigen Widerstand zu entwickeln.

Selbstverständlich sollen an dem Aktionstag Erwerbslose nicht an der Erledigung dringender Terminangelegenheiten gehindert werden. Sollten die Polizei oder private Sicherheitsdienste den Zutritt zu den Agenturen am 3. Januar versperren und mithin die Arbeit der Kampagne selbst erledigen, können sich Erwerbslose ihr dortiges Erscheinen sogar von Anwälten oder Beratern, die für die Kampagne arbeiten, schriftlich bestätigen lassen. So soll möglichen Schikanen der Behörde vorgebeugt werden.

Das eigentliche Ziel der Kampagne ist es, in den Agenturen Erwerbslosenversammlungen abzuhalten. Sollte den Protestierenden der Zutritt verwehrt werden, wollen sie sich in Form einer fürsorglichen Belagerung mit Redebeiträgen, Musik und überraschenden Spektakeln vor den Ämtern bemerkbar machen.

Die Aktivisten suchen auch die Auseinandersetzung mit den Mitarbeitern der Agenturen. In einem an die Beschäftigten gerichteten Flugblatt wurden jene ausdrücklich dazu eingeladen, sich am Protest gegen die Deregulierung des Arbeitsmarktes, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und den Sozialabbau zu beteiligen. »Unser Protest richtet sich nicht gegen diejenigen Beschäftigten der Agenturen und der Ämter, die sich ebenfalls dagegen wehren, dass Menschen derart entwürdigend behandelt werden«, hieß es.

Tatsächlich leiden auch viele Mitarbeiter der Agenturen unter der neuen Gesetzgebung. Sie leisten eine Unmenge an Überstunden und Extraschichten. In den neuen Arbeitsgemeinschaften der Agenturen mit den Kommunen wurde den Beschäftigten der günstigere Manteltarifvertrag der Bundesagentur gekündigt. Zusätzlich droht vielen der Verlust von Weihnachts- und Urlaubsgeld. Es gibt also auch für die Mitarbeiter der Bundesagentur genug Gründe, sich zu wehren.

Die Mitarbeiter sind es allerdings auch, die Menschen mitunter zu einer Arbeit zwingen sollen, die vielleicht nicht einmal mehr die Existenz sichert. Sie kontrollieren und überwachen bis ins Detail die persönlichen und finanziellen Verhältnisse der Erwerbslosen. Sie sind es, die Leistungskürzungen oder Sperren bei mangelndem Wohlverhalten verhängen und den Betroffenen so die Existenzgrundlage entziehen.

Die zuständige Gewerkschaft Verdi verweigert sich jedoch der Auseinandersetzung mit diesen Problemen. Der Vorsitzende von Verdi, Frank Bsirske, distanzierte sich von den Aktionen am 3. Januar, in denen er lediglich einen Angriff auf die Beschäftigten der Agenturen sieht. »Eine Unterstützung solcher Aktivitäten von Verdi-Gliederungen sollte unterbleiben«, ermahnte er im November in der Westfälischen Allgemeinen Zeitung insbesondere die unzufriedenen Aktivisten der Verdi-Erwerbslosenausschüsse, die sich in zahlreichen Orten an den Protesten beteiligen wollen.

Die Frage nach der individuellen Verantwortung und den Handlungsspielräumen der jeweiligen Arbeitsvermittler oder Fallmanager stellt die Führung von Verdi nicht. Dabei entscheiden die Mitarbeiter der Bundesagentur im Einzelfall etwa über die konkrete Ausgestaltung des so genannten Eingliederungsvertrages, in dem dem jeweiligen Erwerbslosen Auflagen und Vorgaben gemacht werden für seine Zeit der Arbeitslosigkeit.

Die Mitarbeiter entscheiden, ob Erwerbslose eine angeblich zu große oder zu teure Wohnung räumen müssen oder ob alle Kulanzspielräume ausgeschöpft werden. Gerade in diesen Fragen könnte Verdi die Beschäftigten ermuntern, sich gegen den Druck von oben zur Wehr zu setzen.
Stattdessen lehnt die Führung von Verdi bereits seit einiger Zeit alle aktiven Formen des Widerstandes gegen die Arbeitsmarktreformen ab. Mitarbeiter der Agenturen würden durch Personalvertretungen von Verdi mit Szenarien von amoklaufenden Erwerbslosen eingeschüchtert, berichten Beschäftigte der Bundesagentur aus Nürnberg und aus Nordrhein- Westfalen der Jungle World. Zudem würden am 3. Januar verstärkt Polizisten und private Sicherheitsdienste in den Agenturen eingesetzt, um angeblich drohende Übergriffe zu unterbinden, sogar in Agenturen, vor denen gar keine Aktionen geplant sind.

Der Erfolg der Kampagne »Agenturschluss« muss sich daran messen lassen, ob es auch über den 3. Januar hinaus gelingt, gemeinsam mit den Erwerbslosen Widerstandsformen zu erfinden, die eine größere Öffentlichkeit ansprechen und die alltägliche Durchsetzung der Hartz-Projekte blockieren können. »Wir erhoffen uns, dass von Agenturschluss ein Moment der Ermutigung ausgeht und ein deutliches Signal einer Konfliktbereitschaft, die wir für die nächsten Jahre dringend brauchen«, sagt Paul vom Kieler Bündnis.




Wir verweisen auch auf die Seiten der bundesweiten Agenturschluss-Kampagne.